Marius schraubt Tischbeine an die PLatte

Altes Holz, neues Leben

Bei Fisch&Tisch bekommt Parkett eine zweite Chance

Marius Gierhardt, Gründer von Fisch&Tisch
Marius Gierhardt
Gründer von Fisch&Tisch
Dem 32-Jährigen aus der Nähe von Frankfurt wurde das Thema Nachhaltigkeit schon früh von seinem Vater und seinem Opa vorgelebt. Nach einem Erstversuch mit Parkettresten gründete er 2022 das Unternehmen Fisch&Tisch, das altem Parkett in Form von Tischen ein neues Leben schenkt.

Wie kamst Du auf die Idee, Tische aus altem Parkett herzustellen?

Ich bin Quereinsteiger, ich habe eigentlich Textilbetriebswirtschaft studiert und längere Zeit in einer Modeagentur gearbeitet. 2019 habe ich mich dann mit einer kleinen Uhrenmarke selbstständig gemacht. Während Corona begann ich damit, eine kleine Werkstatt bei uns zu Hause einzurichten, da ich die Uhren gerne in Deutschland bauen wollte. Der dafür vorgesehene Raum hatte allerdings einen Teppichboden, der für ein maximal staubfreies Arbeitsumfeld so gar nicht geeignet war. Um den Boden stilecht auszutauschen, hatten mein bester Freund Sören und ich die Idee, einen alten Boden aufzubereiten. Nachdem wir bei Kleinanzeigen ein Inserat fanden, fuhren wir mit Bus und Anhänger nach Jena, um dort das Parkett aus einer traumhaften Jugendstilvilla auszubauen und bei uns neu zu verlegen.

Das gesamte Projekt habe ich damals über Instagram ziemlich gut dokumentiert und als ich dann Parkettreste übrig hatte und auf die Idee kam, daraus einen Tisch zu bauen, fand ich über einen Post auch direkt einen Interessenten und der Stein kam ins Rollen.
Marius sägt an einem Tisch

Wie kamst Du zu Deiner Werkstatt?

Ich habe die ersten Tische in der 11 Quadratmeter Werkstatt meines Opas gebaut. Der Raum war allerdings sehr schmal und so konnte ich maximal an einem Tisch arbeiten. Gleichzeitig kamen immer mehr Anfragen, also begann ich mit der Suche nach einer größeren Räumlichkeit.

Die Halle, in der wir heute fertigen, fand ich tatsächlich durch Zufall. Ich besichtigte eigentlich die Kantine eines alten Industriegeländes, die aber für mein Vorhaben nicht geeignet war. Gegenüber stand ein unfassbar schönes Backsteingebäude mit riesigen alten Fenstern und ich fragte den Vermieter, was in dieser Halle ist. Es handelte sich um eine ehemalige Schmiede und Schlosserei, die jedoch zuletzt nur noch als Lager für alte Holzspulen genutzt wurde. Da mein Vermieter den Schlüssel dabei hatte, zeigte er mir die Halle und ich wusste sofort, dass sie das neue Zuhause von Fisch&Tisch werden würde. Wir machten einen Deal und ich kümmerte mich um die "Entsorgung" der Holzspulen, indem ich sie über Kleinanzeigen verschenkte.
Ein Blick in die Werkstatt von Fisch&Tisch

Ist Fisch&Tisch mittlerweile Dein Hauptberuf?

Fisch&Tisch nimmt mich komplett ein und inzwischen sind wir auch schon zu viert, was völlig verrückt ist. Für die Uhren habe ich daher nicht mehr so viel Zeit, aber ich gehe jetzt einfach mit dem Flow und lasse es zu, dass sich Fisch&Tisch so toll entwickelt.

Wie sieht Deine Kundschaft aus? Wer kauft bei Dir Tische?

Die Kundschaft ist total verschieden. Wir hatten natürlich am Anfang viele private Anfragen oder auch Freunde von Freunden, jedoch wurde es schnell mehr, da wir von Beginn an einen professionellen Auftritt hatten. Inzwischen kommen auch Unternehmen auf uns zu, was natürlich auch sehr spannend und gleichzeitig herausfordernd ist.

Hierbei ist es uns wichtig, dass wir erstmal eine Bestandsaufnahme machen und Lösungen dafür finden, dass nicht alles gleich weggeschmissen wird, wie es sonst der Fall ist. Solche nachhaltigen Konzepte wollen wir in Zukunft auf jeden Fall verstärkt angehen.
Tische von Fisch&Tisch

Wie viele Tische hast Du bisher gefertigt? Wie viele Quadratmeter Parkett wären das?

Ich habe gerade einen Posten von einer alten Polizeistation aus Berlin gekauft, das sind 1.000 Quadratmeter. Den mitgerechnet haben wir inzwischen so 3.500 bis 4.000 Quadratmeter Parkett gerettet. (Anmerkung der Redaktion: Das ist etwa ein halbes Fußballfeld.) Es ist aber schwierig zu sagen, wie viel wir davon verwenden konnten, weil viele Firmen, die das Parkett abreißen, eben keine Rücksicht darauf nehmen, dass es wiederverwendet werden soll. Also Tische haben wir jetzt 200 vielleicht gebaut.

Wo bekommst Du das Parkett her und welche Herausforderungen bringt die Aufbereitung mit sich? 

Ursprünglich viel über Kleinanzeigen. Das Problem bei der ganzen Sache ist, dass wir kein verklebtes Parkett verwenden können, denn am Ende sitzt da eine Familie am Tisch und wir wissen nicht, wie viel von den Schadstoffen aus dem Kleber in das Holz gegangen ist. Deswegen verwenden wir nur schwimmend verlegtes oder vernageltes Parkett.

Irgendwann fing es dann an, dass wir Tipps bekamen über Instagram und dann darüber auch direkt der Kontakt hergestellt wurde. Mittlerweile habe ich auch Kontakt mit Immobilienservices, Städten und Kommunen, die Nachhaltigkeitsmanager eingestellt haben und mehr Materialien wieder in den Kreislauf zurückführen möchten. Für die ist das ein super Deal, denn ich zahle ja auch noch dafür.

Wir haben dadurch Böden aus Sporthallen, auf denen viele Sportler schon Erfolge gefeiert haben, gleichzeitig aber auch Böden aus alten Hofgütern und Jugendstilvillen. In vielen dieser Böden stecken so viele Geschichten, dass man teilweise schon etwas ehrfürchtig ist.

Unser letzter Fund aus einem alten Hofgut hatte auf der Unterseite der Dielen sogar noch ein Gedicht vom damaligen Parkettleger. Dieses Stück wird natürlich nicht zu einem Tisch verarbeitet, sondern bekommt einen extra Platz.

Der älteste Boden, den wir bislang hier in den Händen halten durften, war ein Stück aus dem Schloss Versailles, auf dem bereits Ludwig XIV. gelaufen ist.

Fertige Platten von Fisch&Tisch
Eine Auswahl von Festool Werkzeug

Welche Verarbeitungsschritte folgen, nachdem Du die Parkettteile bekommen hast?

Der wichtigste Schritt ist das Sortieren des alten Parketts. Je nach Alter haben die Parkettstücke eine umlaufende Nut, die von den Weichholzfedern befreit werden muss. Bei den Turnhallenböden muss sorgfältig darauf geachtet werden, dass keine Nägel mehr irgendwo versteckt sind. Anschließend werden alle losen Stücke noch entfernt, denn je nachdem wie grob es beim Ausbau zuging, mussten die Parkettstücke ziemlich leiden.

Ist das Parkettstück dann rückstandsfrei, schieben wir es durch den Vier-Seiten-Hobel, wodurch wir wieder ein Parkettstück bekommen, das schön rechtwinklig und gleich groß ist und das nur noch vorne und hinten abgelängt werden muss.

Das Parkettstück verleimen wir dann auf eine Grundplatte und passen je nach Verlegemuster die Längen auf den Kunden an. Bei einem extrem großen und breiten Konferenztisch versuchen wir, passende größere Parkettstücke zu verwenden.

Dann bringen wir Rahmenhölzer um die Platte an, damit man den Aufbau von Grundplatte und Parkettboden nicht sieht. Bei den runden Platten spannen wir einen Massivholzanleimer einmal drumherum.

Danach läuft die Platte das erste Mal durch die Breitbandschleifmaschine und je nach Verlegemuster wird noch ein Gegenzug angebracht, damit die Platte schön gerade bleibt. Dann ist es noch viel Schleifen und ein bisschen Fräsen und dann kommt nur noch das Gestell an die Platte und der Tisch ist fertig.
Das Parkett wird geschliffen
Schrauben mit dem Akkuschrauber von Festool

Was ist Deiner Meinung nach das Besondere an euren Tischen?

Ich habe das Gefühl, dass man früher ganz anders an das Holz herangegangen ist und es heute deutlich mehr verschiedenes Holz gibt. Bei uns ist es so, dass wir einen Boden haben, der teilweise lackiert, beschichtet oder mit Farbmarkierungen voll ist und wie das Holz dann tatsächlich im Verlegebild aussieht, das sieht man erst, wenn es geschliffen ist. Teilweise sind da wunderschöne Stücke dabei, die normalerweise aussortiert worden wären und das ergibt insgesamt ein Bild, das einfach unglaublich ist.

Es ist ja kein Geheimnis, dass das Holz heutzutage eine deutlich andere Qualität hat als früher, die Bäume müssen schneller wachsen, es wird schneller abgeholzt, es ist keine Zeit mehr da. Wir haben noch Holz, das Zeit hatte zu wachsen und das ist richtig schön. Teilweise sieht man auch Mineralablagerungen oder Spurenelemente und das ist quasi das Gesicht des Holzes.

Wir planen nicht, welches Stück wo hingelegt wird, sondern wir legen einfach passend das Muster und was dabei entsteht ist immer schön, es wird nie falsch. Es ist eher so, dass wenn ein Kunde nicht so viele Astlöcher will und ich dann versuche, irgendwo Teile auszutauschen, dann wirkt die Platte sofort ein bisschen fremd. Ich finde, das ist einfach etwas Schönes, wenn man diesen Effekt hat.
Ein Parketttisch und die Führungsschiene von Festool

Was ist Dein Lieblingsparkett?

Ich mache sehr viel mit Eiche, das war für mich schon immer etwas Wertvolles. Ich habe auch schon mit ein paar Tropenhölzern gearbeitet, aber ich muss sagen, das macht mir nicht so Spaß. Ich finde Eichenholz einfach super, es ist es sehr robust, es ist lokal und es ist für mich einfach der beste Werkstoff. Wenn ich ein Fichtenstück in der Hand habe, dann kann ich mich davon auch gerne trennen, das kann auch in den Ofen wandern, aber bei Eiche ist es jedes Mal so, dass ich es zu schade finde und ich noch etwas daraus machen möchte.
Die Domino Dübelfräse von Festool

Welche sind Deine Lieblingstools von Festool und warum?

Bevor ich die Breitbandschleifmaschine hatte, habe ich sehr viel mit dem großen ROTEX gemacht, weil ich zu dem Zeitpunkt noch keine Möglichkeit hatte, maschinell zu schleifen. Der ROTEX war dafür richtig gut, weil er auch hartes Eichenparkett problemlos geschliffen hat.

Ich muss auch sagen, dass ich die Domino super finde. Das ist einfach ein gutes System und es ist auch sehr wichtig, dass die Rahmenhölzer schön angeleimt sind, und mit der Domino macht das einfach Spaß.

Bei mir findet man tatsächlich auch nur Werkzeug von Festool, von Exzenterschleifer über Tauchsäge und Akkuschrauber bis hin zu den Oberfräsen. Ich finde es einfach schön, dass das alles ein System ist und die Tools auch sinnvoll und wertig sind, deswegen wurde das Geld am Anfang immer direkt in neue Maschinen investiert und ich bereue es nicht, denn es macht einfach Sinn. Wir arbeiten jetzt zu dritt hier, wir haben vernünftiges Werkzeug und es geht nichts kaputt, das wird auch wertgeschätzt. Mir war es von Anfang an sehr wichtig, dass wir mit qualitativ hochwertigem Werkzeug arbeiten können und da ist Festool einfach unschlagbar.

Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit in Deinem Geschäftsmodell? Was macht Fisch&Tisch so erfolgreich?

Wir haben das Ziel, den alten Böden ein neues Leben zu schenken. Teilweise kommen hier Böden an, da denken wir auch, die müssten eigentlich weg, aber dann bearbeiten wir sie und dann werden wir doch immer wieder überrascht. Dieser Wow-Effekt ist auch das, was bei den Leuten so gut ankommt, dass sie merken, wie viel man noch aus alten Sachen machen kann. Wir wollen, dass sie sich Gedanken darüber machen, dass man vielen Dingen noch eine zweite Chance geben kann. Natürlich hat nicht jeder eine so gut ausgestattete Werkstatt, aber wir haben auch nicht so angefangen, also es gibt immer Mittel und Wege. Das ist auch die Mission dahinter, dass wir zeigen können, wie viel Potenzial darin steckt.

Gleichzeitig haben wir hier einen Raum, der nicht nur eine klassische Schreinerei ist, sondern auch ein Showroom oder ein Community Space. Wir veranstalten Events und haben eine Art Markthalle gelauncht, wo wir einmal im Jahr Künstlerinnen und Künstlern aus der Umgebung die Möglichkeit geben, bei uns in der Halle zu präsentieren. Wir bieten den Leuten eine Plattform, deswegen hat sich dieser Raum so toll entwickelt. Das ist die Idee dahinter, dass wir mit Fisch&Tisch eine coole Mission erfüllen mit den alten Böden und gleichzeitig diesen Ort hier nutzen, um dem Thema Nachhaltigkeit Ästhetik zu geben.

Deshalb funktioniert Fisch&Tisch auch so gut, weil es mehrere Faktoren sind. Wir haben ein spannendes und auch nachhaltiges Produkt, wir haben schöne Bilder, die meine Schwester macht, ein tolles Netzwerk an Freunden, Bekannten und Familie, die noch bei allem unterstützen und wir haben eine tolle Halle. Das sind die vier Säulen, die Fisch&Tisch zu dem machen, was es ist. Wir machen traditionelles Handwerk, bringen aber eine gewisse Nachhaltigkeit mit rein und auch eine gewisse Ästhetik.

Wenn man dann noch überlegt, dass ich mehrmals im Monat Nachrichten von Azubis bekomme, die es richtig cool finden, dass man auch im Schreinerhandwerk etwas Anderes machen kann und die teilweise für ihre Gesellenstücke Holz wiederverwenden, das finde ich noch krasser. Man schafft damit ein totales Umdenken in der nächsten Generation, die sich jetzt diesem langen Prozess widmet und dieses starke Feedback ist mit am schönsten an der ganzen Sache.
Ein fertiger Tisch von Fisch&Tisch

Was sind Deiner Meinung nach Herausforderungen für junge Menschen im Handwerk?

Ich glaube, zum einen sind es fehlende Inhalte aus dem Bereich Design, die meiner Meinung nach schon in der Ausbildung vermittelt werden sollten. Um neue Ideen überhaupt entstehen lassen zu können, braucht es Kreativität und diese sollte bereits in der Ausbildung gefördert werden.

Zum anderen sollten junge Menschen, die den Entschluss gefasst haben, etwas Neues zu machen, viel mehr unterstützt werden. Ich habe schon so oft Gespräche geführt, in denen Respekt für den Mut der Selbstständigkeit ausgesprochen wurde, oft aber im gleichen Atemzug kritische Fragen gestellt wurden. "Und was, wenn du kein Parkett mehr bekommst? Dann stehst du da in deiner großen Halle." Wir sollten uns gegenseitig viel mehr ermutigen und supporten, denn das Handwerk ist so wichtig und es braucht noch viel mehr Menschen, die sich dem Thema Nachhaltigkeit im Handwerk annehmen.